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Mach 1

Gute Fahrt 2/86

Der Käfer "Mach 1"
Im Herbst 1964 präsentierte der belgische Volkswagenimporteur, die Brüsseler Firma d’leteren Freres S.A., einen sportlich zurechtgemachten Käfer mit der damals aufsehenerregenden Leistung von 50 PS. Das Auto blieb kein Einzelstück wie so viele Käfer-Modifikationen vor ihm. Es wurde in kleiner Serie gefertigt und errang unter dem vollmundig gewählten Namen "Mach 1" (=Schallgeschwindigkeit) spektakuläre Sporterfolge.

Die Bemühungen zahlreicher Käfer-Enthusiasten, dem 1200er Serien-Käfer durch leistungsgesteigerte Motoren und Fahrwerksverbesserungen zu mehr Dampf und besserer Straßenlage zu verhelfen, trafen zu jener Zeit auf wenig Verständnis in Wolfsburg. Das Werk verfolgte eine puristische Linie - es baute Käfer mit 34 PS und befand sich damit auf der Höhe des Käfer-Erfolges. Alle Tuning-Versuche galten als Abweichung vom Pfade der Tugend und wurden, nicht zuletzt wegen der daraus möglicherweise erwachsenden Garantie-Forderungen gegen das Werk, mit Argwohn verfolgt. Unter diesen Umständen war es geradezu eine Unbotmäßigkeit des belgischen Importeurs, eine kleine Serie schneller Käfer zu starten. Aber d’leteren hatte die Mittel dazu. In Brüssel wurden zu jener Zeit die Käfer für Belgien montiert - die Teile kamen aus Wolfsburg, die Endmontage erfolgte bei d’leteren Freres: Täglich entstanden hier 300 Käfer.

Aus dieser Position der Stärke konnten die Belgier ihren Alleingang starten. Sie arbeiteten mit Oettinger zusammen, dem Pionier allen Volkswagen-Tunings. Gerhard Oettinger lieferte seine 1300-TSV-Anlage, die den Käfer-Motoren zu 50 PS verhalf. Die Belgier montierten Motor und Wagen und gaben dabei dem Fahrwerk den sportlichen Trimm. Unter der Bezeichnung "Mach 1" entstand ein Sportkäfer, der damals den Käfern so überlegen war wie später der Golf GTI den normalen Golf-Versionen.

Der Serien-Käfer hatte damals 1200 cmm und 34 PS. Der Mach 1 kam durch Verwendung der Oettinger-Kurbelwelle, einer Gleitlagerwelle mit angeschmiedeten Gegengewichten und größerem Hub (69,5 statt 64 mm) auf 1285 cmm. Eine Zweivergaser-Anlage (Solex 32 PBIC) mit Naßluftfiltern sorgte für bessere Füllung. Oettingers Spezial-Zylinder-Köpfe mit getrennten Einlaßkanälen, mit größeren Einlaßventilen und natriumgefüllten Auslaßventilen boten die solide Basis für die Leistungssteigerung.

Mit dem größeren Hubraum, der besseren Zylinderfüllung, einer Verdichtungserhöhung auf 8:1 und mit einem, höhere Drehzahl erlaubenden Fliehkraftzündverteiler erreichte das Triebwerk rund 50 PS bei 4300/min. Das maximale Drehmoment, 100 Nm, fiel bei 3000/min an, die Höchstdrehzahl lag bei 5000/min. Für die Standfestigkeit sorgte ein Nebenstromölfilter mit Rücklaufkühlung, für zuverlässige Kraftübertragung wurde die stärkere Kupplung des VW-Transporters eingebaut.

Auch das Fahrwerk wurde den Erfordernissen angepaßt: Negativer Sturz an den Hinterrädern, ein probates Mittel, um der Käfertypischen Tendenz zum Übersteuern entgegenzuwirken, sowie ein Stabilisator an der Vorderachse, härtere Stoßdämpfer und - auf Wunsch verstärkte Federn. 4 1/2-Zoll breite Porsche-5-Loch-Felgen mit Niederquerschnittsreifen (6.25-15) oder Gürtelreifen (155-15) sorgten nicht nur für eine breitere Spur, sondern auch für einen gewissen sportlichen Touch a la Porsche.

Resultat all dieser Bemühungen war ein drehmoment- und damit spurtstartker, schneller Käfer mit Porscheähnlichen Fahreigenschaften, so zumindest urteilte damals die einschlägige Fachpresse.

Auf der Autobahn zeigte der Mach 1 seine Qualitäten: An langgezogenen Steigungen, aber auch auf ebener Strecke, konnte der Mach 1 mit Mittelklasse-Wagen mühelos Schritt halten, zur Verwunderung vieler. Selbst das damalige Volkswagen-Spitzenmodell, der VW 1500 S (Typ 3), hatte beim Beschleunigen das Nachsehen; von 0 auf 100 km/h brauchte der Mach 1 knapp 16 Sekunden (Serie 24 Sekunden).

Die Höchstgeschwindigkeit lag bei gut 140 km/h (Serie 115 km/h). Auch im Stadtverkehr, insbesondere bei Ampelstarts, machte sich das gestiegene Drehmoment und die dadurch in nahezu allen Drehzahlbereichen vorhandene höhere Durchzugskraft positiv bemerkbar.

Äußerlich unterschied sich der Mach 1 vom Serienkäfer vor allem durch einen weißen Mittelstreifen auf Front-, Dach- und Heckpartie und spezielle Embleme an den Seiten. Zudem wurde der Mach 1 ausschließlich in den Farben rubinrot und javagrün geliefert.

Im Inneren dagegen herrschte neutrales Schwarz vor: schwarze, körpergerecht geformte Sitze mit Kunstlederbezug, mattschwarz gespritztes Armaturenbrett und ein schwarzes Zweispeichen-Lenkrad vom VW 1500 (Typ 3).

Statt des Serientachos hatte der Mach 1 ein Instrument mit Skala bis 160 km/h, hinzu kamen Drehzahlmesser und Ölfernthermometer. In Belgien kostete der Mach 1 umgerechnet etwa 6850 Mark; ein günstiger Preis, auch damals.

Daß der Mach 1 trotz aller Modifikationen ebenso robust, zuverlässig und vor allem standfest war wie sein Serien-Bruder, bewies er beim Auto-Marathon Spa-Sofia-Lüttich 1964. Vom schwedischen Lastwagenfabrikanten und damaligen VW-Generalimporteur Scania Vabis eingesetzte Mach-1-Käfer gingen an den Start - und wurden Sieger in der Gran-Turismo-Klasse bis 1300 Kubikzentimeter.

Hans Joachim Klersy

 

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